
In der Bundesrepublik Deutschland sind vermutlich tausende Therapeutinnen und Therapeuten im Rahmen einer freien Mitarbeiterschaft tätig. Dies gilt für Bereiche der Physiotherapie, Massage, Ergotherapie, Logopädie und Podologie. Die Deutsche Rentenversicherung schwenkte seit dem Jahre 2023 deutlich um und beurteilt inzwischen nahezu sämtliche Kooperationen von freien Mitarbeitern mit therapeutischen Praxen als abhängige Beschäftigung und somit als Scheinselbstständigkeit. Dagegen wehren sich viele Therapeuten und Praxen. Die DRV lässt diese allerdings gerne abblitzen, insbesondere, wenn eine rechtsanwaltliche Vertretung nicht erfolgt.
Am 24.03.2016 war die letzte grundlegende Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Thema der freien Mitarbeiterschaft in therapeutischen Praxen verkündet worden. Dabei war insbesondere vom BSG festgehalten worden, dass in jedem Verfahren eine Einzelfallbeurteilung zu erfolgen hat und grundsätzlich eine freie Mitarbeiterschaft in einer Heilmittelpraxis möglich ist. Jahrelang musste sich das BSG nunmehr nicht mehr mit der freien Mitarbeiterschaft in therapeutischen Praxen auseinandersetzen. Die DRV wollte allerdings unbedingt wieder ein neues Verfahren vor das BSG bringen, weil sie sich erhofft, dass das BSG seine Rechtsprechung aus der Vergangenheit aufgibt und eine neue Richtung einschlägt. Wieso dies der Fall sein sollte, dürfte allerdings das Geheimnis der DRV sein. Nunmehr verlor die DRV das nächste große Verfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Entscheidung vom 14.02.2025 (Aktenzeichen LSG Baden-Württemberg L8 BA 426/24). Weil die DRV es allerdings immer wieder auf Entscheidungen der Landessozialgerichte ankommen lässt, ließ das LSG Baden-Württemberg die Revision zu und diese wurde auch tatsächlich eingelegt. Deswegen liegt nun nach vielen Jahren wieder ein Verfahren beim Bundessozialgericht (Aktenzeichen BSG B12 BA 2/25 R), in welchem das BSG grundsätzlich über das Thema der freien Mitarbeiterschaft in therapeutischen Praxen zu entscheiden hat.
Da die Revision erst vor kurzem eingelegt wurde, ist derzeit davon auszugehen, dass eine Entscheidung des BSG jedenfalls nicht vor Ablauf eines Jahres zu erwarten ist. Erfahrungsgemäß wird eine Entscheidung in dieser Sache eher länger auf sich warten lassen, also wohl vor 2026 oder 2027 nicht vorliegen. Sämtliche Gerichte, welche sich nun mit einer freien Mitarbeiterschaft in therapeutischen Einrichtungen zu befassen haben, müssen somit entscheiden, ob die Verfahren ruhend gestellt werden, um die Entscheidung des BSG abzuwarten, oder ob die Umstände des Einzelfalls so liegen, dass es einer neuen Entscheidung des BSG gar nicht bedarf. In sämtlichen Entscheidungen des BSG zu Statusfeststellungsverfahren und Betriebsprüfungsverfahren ist nämlich immer wieder deutlich geworden, dass das BSG daran festhält, dass immer eine Einzelfallbeurteilung zu erfolgen hat.
In den Entscheidungen der Landessozialgerichte, welche in den letzten Jahren zu Gunsten der DRV entschieden wurden, lagen im Regelfall solche Fälle vor, in welchen die Praxen den freien Mitarbeitern Patienten zugewiesen haben, beziehungsweise der Erstkontakt mit Patienten über die Praxis und nicht über den freien Mitarbeiter erfolgte. Die DRV vermittelt zwar gerne, dass die freie Mitarbeiterschaft nicht mehr möglich ist. Dies widerspricht jedoch einer Vielzahl von Gerichtsentscheidungen, auch auf höchstrichterlicher Ebene, und die DRV verschweigt nicht selten, dass in den zu ihren Gunsten entschiedenen Fällen eben klare Merkmale für eine Eingliederung in die Praxis wegen der Terminierung und Zuweisung von Mitarbeitern erfolgte. Sofern also derart grobe Fehler in der Organisation der Kooperation nicht unterlaufen, ansonsten die Organisation der freien Mitarbeiterschaft optimal stattfindet und zusätzlich noch von Anfang eine Beratung sowie Vertretung durch einen qualifizierten Rechtsanwalt an erfolgt, spricht nichts gegen eine positive Feststellung der DRV, dass eine freie Mitarbeiterschaft vorliegt.
Weil die finanziellen Risiken einer Scheinselbstständigkeit enorm sind, ist es zwingend zu empfehlen entweder vor Aufnahme der Kooperation zwischen der Praxis und dem freien Mitarbeiter oder direkt zu Beginn der Kooperation ein Statusfeststellungsverfahren durchzuführen. Dieses sollte von Anfang an und schon vor dem Ausfüllen der Antragsunterlagen rechtsanwaltlich begleitet werden, um die größte Chance zu erlangen, dass am Ende eine freie Mitarbeiterschaft und somit eine selbstständige Tätigkeit festgestellt wird. Fehler, welche am Anfang der Praxis im Verfahren unterlaufen, lassen sich später schwerlich reparieren. Sollte eine positive Statusfeststellung nicht vorliegen, muss jede Praxis damit rechnen alle vier Jahre von der Deutschen Rentenversicherung im Rahmen einer Betriebsprüfung kontrolliert zu werden. Dabei haben alte Betriebsprüfungen keine Bindungswirkung für zukünftige. Sollte dann ein Betriebsprüfer der Ansicht sein, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, können ganz erhebliche Forderungen auf die Praxis zukommen.
Das Thema der freien Mitarbeiterschaft ist also nach wie vor hochspannend und wichtige Entwicklungen sind in den nächsten Jahren zu erwarten. Im Falle der optimalen Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens sind die Chancen nach wie vor hoch, dass eine freie Mitarbeiterschaft und somit eine selbstständige Tätigkeit festgestellt wird und sowohl der freie Mitarbeiter wie auch die Praxis Chancen nutzen können. Sollten Sie hierzu Beratungsbedarf haben, wenden Sie sich jederzeit gerne an die Rechtsanwaltskanzlei Alt. Es macht zudem Sinn unsere Kanäle in sozialen Medien zu abonnieren, weil wir regelmäßig über diese Themen berichten. Jährlich unterstützen wir regelmäßig eine dreistellige Anzahl von Statusfeststellungsverfahren und Betriebsprüfungsverfahren und setzen gerne unser Fachwissen für Sie ein.